Auch im Mai habe ich es geschafft, vier Bücher zu beenden; eines hatte ich bereits im Vormonat begonnen. Von zwei Autoren hatte ich bereits zuvor ein Buch gelesen, von den anderen beiden noch nicht. Es handelte sich um zwei Sachbücher und zwei Romane, geschrieben von drei Männern und einer Frau (eines der Sachbücher).
Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Bücher:
Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Autokraten sich gegenseitig an der Macht halten
Anne Applebaum, Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Autokraten sich gegenseitig an der Macht halten, 2024, dt. 2025 (aus dem Englischen von Jürgen Neubauer), Büchergilde Gutenberg, 206 Seiten.
Hervorgegangen aus einer Serie von Artikeln, die im Magazin The Atlantic erschienen sind, ist das Buch gut recherchiert und legt Zusammenhänge offen, die das Ausmaß der Gefahr für die freiheitliche Demokratie erkennen lassen. Eine wichtige, aber durchaus keine angenehme Lektüre.
Die Stimmen von Marrakesch
Elias Canetti, Die Stimmen von Marrakesch, 1967 (1984/2024), Büchergilde Gutenberg, 159 Seiten.
Ergänzt durch 24 Gouachen und weitere Zeichnungen von Wolfgang Werkmeister bietet das nach einer Marokkoreise aus Aufzeichnungen Canettis entstandene Buch eine Vielzahl von Eindrücken. Begegnungen, Orte, Stimmungen werden eingefangen und direkt und ohne Beschönigung dargestellt. Dabei ist der Blick auf Menschen und Zustände noch zeittypisch kolonial grundiert.
Wem dies die Freude an den Texten nicht verstellt, wird interessante Einblicke in eine weitgehend untergegangene Welt erhalten.
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Nora Bossong, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2012, Suhrkamp, 297 Seiten.
Verfall einer Familie und Niedergang einer Firma - spätestens seit Thomas Manns Buddenbrooks sind diese Themen Klassiker der deutschen Romanliteratur. Nora Bossong versucht sich dem Thema mit einer Modifikation zu nähern, indem sie die Hauptfigur Luise den Versuch unternehmen läßt, die Firma zu retten. Ihr Vater Kurt hatte in dritter Generation das Unternehmen ziemlich herausgewirtschaftet, und sie versucht, den Untergang abzuwenden.
Ich fand den Plot recht fad, die Sprache bemüht und allzu oft abgedroschen, die Metaphern schräg - und war froh, als ich das Buch endlich zum letzten Mal zuklappen konnte.
Nachdem mir Reichskanzlerplatz gut gefallen hatte und ich deshalb mehr von Bossong lesen wollte, tendiert diese Absicht inzwischen gegen Null.
Fielding Gray
Simon Raven, Fielding Gray, 1967, dt. 2020 (aus dem Englischen von Sabine Franke), Elfenbein Verlag, 262 Seiten.
England, Mai 1945 - der Krieg ist vorbei und die Zukunft ungewiß. Fielding Gray hat noch ein Schuljahr vor sich, danach muß er Entscheidungen treffen: zur Armee und danach als Angestellter nach Indien oder doch ein Studium der klassischen Sprachen in Oxford? Die Pläne seiner Eltern, seine eigenen Ambitionen, gesellschaftliche Erwartungen und seine sexuellen Präferenzen machen die Dinge noch komplizierter.
Direkt und zynisch wandelt hier ein junger Mann auf den Spuren von Dorian Gray un landet hart in der Realität. Des Autors eigene Vita war Vorbild für seine Tour de Force, die in insgesamt zehn Bänden (Reihentitel: Almosen fürs Vergessen) ausgebreitet wird.
Leseausblick auf den Juni
Auf dem Stapel der Möglichkeiten liegen:
Michael Bienert, Das aufgeklärte Berlin
Iring Fetscher, Marx. Eine Einführung
Anne Serre, Die Gouvernanten
Harald Jänner, Höhenrausch
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