Wer nicht nur zur Zerstreuung liest - was ein legitimer und in mancherlei Lebenssituation dringend notwendiger Zeitvertreib ist - der kennt das Problem: Wie hält man Eindrücke fest, worauf gründet man Analysen und wie gestaltet man den Output dieser Bemühungen? Wer von Berufs wegen auf diese Weise an das Lesen herangeht, sei es als Kritiker oder Akademikerin, der muß sich entsprechende Routinen einrichten und Arbeitsumgebungen schaffen. Doch auch wer “nur” privat liest, aber im Internet darüber schreiben und / oder sprechen möchte, kommt um eine gewisse Professionalisierung der eigenen Lese- und Schreibgewohnheiten nicht herum.
Blick in die Werkstatt
Heute möchte ich - ausgehend von einer nachmittäglichen Situation in der ersten Januarhälfte - gemeinsam mit meinen Abonnenten einen Blick in meine heimische Werkstatt werfen.



Gleich ein Disclaimer vorneweg: Mein Schreibtisch im Büro sieht, ebenso wie der in meinem Arbeitszimmer anders aus, und zwar kaum präsentabel. So, wie oben zu sehen, richte ich mich am Eßzimmertisch für eine private, längere Lese- und Schreibsitzung ein. Natürlich bleibt es dann nicht bis zum Ende so aufgeräumt, sondern es kommt, sagen wir mal, Bewegung in die Dinge.
Der Stapel hinten links sind die im Dezember beendeten Bücher. Hier ging es darum, zu entscheiden, welche ich im Blog ausführlicher besprechen möchte, und um die Reihenfolge und Talking points für den Monatsrückblick auf YouTube.
Davor und im Zentrum liegen aktuelle Lektüren:
Celia Fremlin, Der lange Schatten
Adorno. Eine Bildmonographie, herausgegeben vom Theodor W. Adorno Archiv
Wolfgang Schäuble, Erinnerungen. Mein Leben in der Politik
Links liegen außerdem Notizbücher und mein Kalender, rechts vorne ein Block mit Bleistift, Anspitzer und Radiergummi. Dann das zugeklappte Laptop und dahinter ein Buchständer, darauf Bücher, die der Recherche für einen der nächsten Newsletter in der im Januar 2025 gestarteten Rubrik “Monthly Mann” dienen.
Und natürlich darf auch eine gute Tasse Tee nicht fehlen! Ich trinke ganz klassisch am Morgen und während des Vormittags Assam, am Nachmittag Darjeeling und nach dem Abendessen Kräutertee (Verveine, Lavendel, Minze).
Bei der Romanlektüre
Hier halte ich auf Papier erste Eindrücke fest, Personen, Handlungsstränge, Themen, Zitate. Schließlich wird das Buch ja im Monatsrückblick kurz vorgestellt werden. Inzwischen bin ich bei den meisten Büchern dazu übergegangen, separat auf Papier zu notieren, weil ich so eine bessere Chance sehe, sie - wenn auch nur für geringes Geld - weiterverkaufen zu können. Erst wenn ich merke, daß ein Buch bei mir bleiben und einen Platz im Regal finden wird, eigne ich es mir auch mit Annotationen, Marginalien und Unterstreichungen - je nachdem - an.
Separate Notizen sind aber auch notwendig, wenn Buchformat und Satzspiegel keinen ausreichenden Raum für Annotationen bieten. Dies ist etwa in der handlichen Frankfurter Ausgabe der Werke von Thomas Mann der Fall, weswegen meine Zauberberg-Lektüre von einem speziellen Notizheft begleitet wird.
Das Lesen von Sachbüchern
Hier besteht von vornherein eine starke Erwartung, das Buch behalten zu wollen. Demzufolge kommt der Bleistift von Anfang an zum Einsatz. Bei einem zeitgeschichtlich interessanten Buch wie den Erinnerungen von Wolfgang Schäuble landet auch der eine oder andere Satz in meinem Commonplace-Book.
In diesem Zusammenhang habe ich dieses Jahr den Versuch gestartet, über eine Woche Sätze, Eindrücke und Beobachtungen festzuhalten und mir vorgenommen, dann am Sonntagnachmittag darüber zu reflektieren. Ich bin gespannt, ob das funktioniert und wie lange ich diese Gewohnheit beibehalten werde.
Bei Sachbüchern erstelle ich mir mitunter einen Index, indem ich auf den vorhandenen leeren Seiten am Ende Stichworte und die dazugehörigen Seitenzahlen notiere.
Danach - manchmal auch schon währenddessen
Wenn sich bestimmte Themen herauskristallisieren, wenn Geschehnisse, Personen - real oder fiktiv - wichtig werden, wenn Querverbindungen auftauchen oder sich Fragen stellen (mitunter ist auch alles gleichzeitig der Fall!), dann öffne ich mein Laptop und schreibe in die wunderbare App Obsidian.
Die Vorzüge dieser App hat Odysseas in einem Video viel besser und anschaulicher erklärt, als ich das je könnte. Jedenfalls werden auf diese Art und Weise Verbindungen zwischen Texten sichtbar, aber auch meine Interessenschwerpunkte.



Ganz links ist das komplette Netzwerk zu sehen, in der Mitte sind die Einträge hervorgehoben, die mit dem Thema “Erster Weltkrieg” zu tun haben, rechts daneben alles, was mit “Thomas Mann” in Verbindung steht. Die Farben fassen dann Kategorien wie Texte, Biographisches, Schlagworte zusammen. Perspektivisch lassen sich die so versammelten Ideen, Zitate und eigenen Überlegungen zu neuen Texten weiterverarbeiten.
Von der Idee zum fertigen Text
Das ist in der Regel noch einmal eine Menge Arbeit, müssen doch die Notizen jeglicher Form strukturiert und gegebenenfalls durch Wiederlektüre verifiziert, durch zusätzliche Recherchen untermauert und kontextualisiert werden. Der Text wird dann geschrieben, redigiert, nochmal überprüft, liegengelassen, nach einer Woche mit frischem Blick wieder angeschaut, entweder für gut befunden oder als neuerlich überarbeitungswürdig eingeschätzt.
Je nach den Plattformen, die man bedienen möchte (Es ist ein privates Hobby, man sollte hier nichts müssen!), und den Terminen, die man sich für Uploads und Veröffentlichungen setzt, kann hierbei etwas Streß aufkommen.
Da erweist sich dann die Tasse Tee oftmals als hilfreich. Und souveräne Gelassenheit.
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Leseempfehlung Buchrezension:
Leseempfehlung Essay:
Sehr interessant! Ich lese gedruckte Bücher und E-Books. Um Notizen festzuhalten, nutze ich einen Boox Note Air 4c,also ein Tablet auf E-Ink Basis. Dieses Tablet hat die Möglichkeit mit einem Stift Notizen anzufertigen, die dann in die Cloud exportiert werden. Man kann damit sowohl PDF-Dateien aber auch sonstige Dokumente mit Notizen versehen. Bei E-Books (in meinem Fall Kindle) kann ich die Anmerkungen direkt in den Büchern festhalten (das Boox unterstützt die Kindle-App) und auf einer separaten Webseite von amazon abrufen.
Für das Schreiben längerer Texte (auch beruflich), nutze ich Papyrus Autor auf dem Notebook.
Interessantes System. Danke für die Einblicke 🙂